Niedersachsen

Netzwerk Migrantinnen und Arbeitsmarkt Niedersachsen

Naciye Celebi-Bektas und Judith Frerking sind Schatzsucherinnen. Und sie sind nicht allein. An ihrer Seite stehen über 300 Akteure und Akteurinnen, die zum Netzwerk NeMiA gehören, dem Netzwerk Migrantinnen und Arbeitsmarkt Niedersachsen.
Sie alle wollen Kostbarkeiten zutage fördern, die auf den ersten Blick nicht zu erkennen sind. Dabei handelt es sich jedoch nicht um Gold oder Edelsteine, sondern um Talente, Fähigkeiten und Kenntnisse, die der deutsche Arbeitsmarkt so dringend braucht. Und sie liegen nicht unter Schichten aus Stein oder Erde, sondern verborgen in vielen Frauen, die nach Deutschland eingewandert oder geflohen sind.

Oft sind sie so versteckt, weil nicht einmal die Frauen selbst wissen, welches Potenzial sie in sich tragen. Eine Aufgabe von NeMiA ist es deswegen, den Frauen mit Migrations- und Fluchthintergrund dafür die Augen zu öffnen und ein Bewusstsein für ihre Stärken zu schaffen.
Das geschieht im Migrantinnen-Forum, einem Unterprojekt des Netzwerkes, das zwei- oder dreimal im Jahr stattfindet.
Dort sind die Frauen ganz unter sich und können sich gefahrlos öffnen. Naciye Celebi-Bektas hilft ihnen dabei und versucht, ihren Blickwinkel auf sich selbst zu verändern. „Manche schämt sich vielleicht für ihren Akzent. Ich sage ihnen, dass das ein Alleinstellungsmerkmal ist. Andere schieben ihre Fluchtgeschichte in den Hintergrund, als sei diese etwas Negatives. Ich sage ihnen: ,Das ist ein Zeichen von Stärke. Schaue nur, was du bereits alles gemeistert hast!‘“

Nicht nur über, sondern mit den Frauen sprechen!
Doch NeMiA organisiert noch viel mehr. So gibt es mehrere Arbeitsgruppen, die sich mit speziellen Themen rund um Arbeitsmarktförderung von Migrantinnen auseinandersetzen. In einer Gruppe geht es beispielsweise um die Anerkennung ausländischer Abschlüsse. Eine andere bildete sich recht zügig nach Russlands Angriff auf die Ukraine, um den geflüchteten Ukrainerinnen den Schritt in den deutschen Arbeitsmarkt zu erleichtern.

Zudem organisiert NeMiA Fachtagungen, Workshops und Netzwerktreffen, bei denen nicht nur über, sondern auch mit Migrantinnen gesprochen wird. „An diesen Netzwerktreffen nehmen sehr viele verschiedene Vereine und Institutionen teil, wie zum Beispiel das Job-Center“, erläutert Judith Frerking. „Im Grunde ist jeder willkommen, der mit dem Thema Migrantinnen am Arbeitsmarkt in Berührung steht oder sich dafür interessiert. Auf diese Weise bringen wir Leute zusammen, die sich sonst vielleicht nie begegnen würden und schaffen kurze Wege.“
Bei jedem Treffen werden unterschiedliche Themenschwerpunkte gesetzt, die sich auch am aktuellen Tagesgeschehen orientieren, wie beispielsweise ein neues Gesetz und seine Auswirkungen. Außerdem werden jedes Mal bis zu drei Projekte von Netzwerkakteuren vorgestellt.

"Wir schicken niemanden weg!"
Da Niedersachsens Regionen sehr unterschiedlich sein können, hat NeMiA auch regionale Verankerungen dieser Treffen ins Leben gerufen, in Osnabrück, Lüneburg und demnächst auch in Braunschweig. „Das gibt uns die Möglichkeit, lokales Bedürfnisse abzufragen“, so Judith Frerking.
Und auch, wenn NeMiA nicht immer in allen Belangen helfen kann: „Wir schicken niemanden weg!“, betont Naciye Celebi-Bektas. „Wenn Frauen auf uns zukommen, die endlich einer Arbeit in Deutschland nachgehen wollen, versuchen wir sie innerhalb unseres Netzwerkes an Ansprechpartner oder Ansprechpartnerinnen zu vermitteln.“

Unterstützt werden die Projektkoordinatorin und die Projektleiterin durch einen Beirat, der sich aus zwölf Frauen zusammensetzt. Sie kommen unter anderem aus dem Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung, der Staatskanzlei oder kargah e.V. Außerdem sind Migrantinnen dabei, die sich selbstständig gemacht haben.

Die Koordinierungsstelle Frau und Beruf ist Teil von NeMiA

Mila Marinova von der Koordinierungsstelle Frau und Beruf der Region Hannover ist ebenfalls Mitglied des Beirats. Sie kennt NeMiA seit dessen Gründung und schätzt die Arbeit des Netzwerkes sehr. Als sie gefragt wurde, ob die Koordinierungsstelle nicht Teil davon werden möchte, sagte sie sofort zu. „Es gibt sehr viele Schnittstellen zu unserer täglichen Arbeit. Im Grunde ist es eine Erweiterung unserer Tätigkeit.“

Da Mila Marinova an sämtlichen Treffen und Veranstaltungen von NeMiA teilnimmt, hat sie einen ziemlich vollen Terminkalender – aber das sei es ihr wert, wie sie betont. „Die Arbeit ist so wichtig! Sie ermöglicht einen intensiven Austausch mit allen Akteuren, sowohl mit Verwaltung, Verbände und Unternehmen als auch mit den Frauen, die sich gern auf dem Arbeitsmarkt integrieren möchten. Auf diese Weise versteht man vieles besser und kann alles zusammenbringen.“

Auch für sie persönlich sei die Zusammenarbeit immer wieder eine Bereicherung. „Sie hat meinen Blick erweitert. Ich gewinne neue Impulse, kürzlich zum Beispiel durch eine Lesung, in der es darum ging, wie die Frauen der sogenannten Gastarbeitergeneration sich schon damals in Gewerkschaften organisiert und für ihre Arbeitsrechte gekämpft haben. Das gibt Mut und stärkt.“

"Wir sind deutschen Frauen nicht gleichgestellt!"
Gegründet wurde NeMiA 2019. Die Idee entstand gewissermaßen durch den Equal Pay Day, an dem jedes Jahr die Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen in den Fokus rückt.
Naciye Celebi-Bektas, damals im DGB-Bezirk zuständig für Frauen Gleichstellung und Migrationspolitik, fragte sich, wie eigentlich die Lücke zwischen Migrantinnen im Vergleich zu in Deutschland geborenen Männern und Frauen aussieht. Sie machte sich auf die Suche nach Studien und Statistiken und kam am Ende zu dem Ergebnis: Ausländische Frauen verdienen von allen am schlechtesten. Doch woran liegt das?
„Wir sind deutschen Frauen nicht gleichgestellt, weil wir andere Themen haben“, erklärt Naciye Celebi-Bektas. Doch welche Hürden müssten überwunden werden, damit sich das ändert? Wo sind die meisten dieser Frauen tätig? Wie werden Migrantinnen generell wahrgenommen und wie kann man sie besser erreichen?

„Mir war klar, dass ich ein Netzwerk gründen möchte“, erläutert Naciye Celebi-Bektas. So knüpfte sie Kontakte zu Politik und Wirtschaft und leistete viel Überzeugungsarbeit, weil sie davon überzeugt war: „Für eine gelungene Integration ist der Arbeitsmarkt sehr wichtig. Sehr viele Menschen definieren sich über das, was sie tun, und eine der ersten Fragen, die einem Menschen in Deutschland gestellt wird, lautet meist: Als was arbeitest du?“

In Deutschland werde viel über die fehlenden Fachkräfte gesprochen, nur: „Die sind teilweise schon bei uns. Sie sind verborgene Schätze. Durch NeMiA werden sie besser wahrgenommen und gefördert.“ Naciye Celebi-Bektas überlebt einen Moment und fügt dann hinzu: „Es reicht eben nicht nur, einen Diamanten zu entdecken. Man muss ihn auch schleifen und dann an die richtige Stelle setzen, damit er seine ganze Pracht voll entfalten kann.“
Dieser Meinung schließt sich Mila Marinova an. „Wir haben tolle Frauen mit guten Abschlüssen und Potenzial. Wenn wir das nicht nutzen würden, wäre es sehr traurig. Darum ist es mir so wichtig, dass die Arbeit von NeMiA weitergeht. Sie ist so wertvoll für die Ko-Stelle – und uns alle.“

In aller Kürze:
Das Netzwerk NeMiA wurde 2019 gegründet.
Projektträger ist der DGB.
In ihm sind rund 300 Akteure und Akteurinnen vertreten.
Zudem gibt es einen Beirat, der sich aus zwölf Frauen zusammensetzt.

Kontakt
Möchten Sie mehr wissen? Weitere Informationen finden Sie auf der Website von NeMiA.

Gefördert durch: Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung
Kofinanziert von der Europäischen Union