Armut ist nach wie vor weiblich

In Deutschland gilt ein wachsender Teil der Bevölkerung als arm. Besonders häufig sind Frauen an den unteren Enden der Einkommens- und Vermögensskalen zu finden. Gleichzeitig steigen die Vermögen Wohlhabender immer weiter an. Höchste Zeit, die Verteilungsfrage unter Geschlechterperspektive zu stellen. Das fanden auch die Teilnehmer*innen der Fachveranstaltung des Deutschen Frauenrats „Wohlstand für alle?! Geschlechtergerechte Verteilungspolitik in Zeiten der Transformation“, die sich im Scandic Hotel in Berlin einfanden.

In ihrer Eröffnungsrede räumte die Vorsitzende des Deutschen Frauenrats, Dr. Beate von Miquel, mit einem Vorurteil auf: Armut sei keine Folge individuellen Scheiterns, sondern Folge einer Politik, die Armut billigend in Kauf nehme, um Wertschöpfung und Profite an anderer Stelle zu entfesseln. Eine Vermögensverteilung, bei der wenige sehr viel und viele sehr wenig haben sei politisch geschaffen. Für mehr Verteilungsgerechtigkeit müssten die Strukturen reformiert werden, die diese Entwicklung ermöglicht haben und die vor allem Frauen benachteiligten.

Prof. Dr. Olaf Groh-Samberg stellte in seiner anschließenden Keynote die Ergebnisse seiner Forschung an der Universität Bremen zu Verteilungsfragen vor: In Deutschland wächst die Ungleichheit seit den 1970ern. Während der Anteil der als arm geltenden Bevölkerung auf 11 Prozent zugenommen hat, ist auch der Anteil der Wohlhabenden angestiegen.
Gelang es Menschen früher öfter der Armut zu entkommen, ist heute zu beobachten, dass arme Menschen vermehrt arm bleiben. Mit Blick auf die geschlechtliche Ausprägung skizzierte der Sozialwissenschaftler, dass Frauen trotz höherer Bildungsabschlüsse, besserer Kinderbetreuungsmöglichkeiten und gestiegener Erwerbsquote geringere Einkommen erwirtschafteten, weil sie nach wie vor den Großteil der Sorgearbeit übernehmen und deshalb häufig nur in Teilzeit erwerbsarbeiten.
Ist der Gender Pay Gap direkt nach der Ausbildung zwischen den Geschlechtern noch gering, zieht er an, wenn Kinder geboren und groß gezogen werden. Als armutsverstärkende Faktoren führte Groh-Samberg Merkmale wie Bildung, Alter und Herkunft an.

Minijobs als Armutsfallen
Die zweite Podiumsdiskussion widmete sich dem Thema „Eigenständige Existenzsicherung in Zeiten der Transformation“. Dennis Becker (Universität Hamburg), Michaela Engelmeier (Sozialverband Deutschland e.V.) und Dr. Kirsten Wendland (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend) diskutierten die bekannten Herausforderungen für Frauen, sich den eigenen Lebensunterhalt verdienen zu müssen und gleichzeitig Hauptverantwortliche für Sorgearbeit zu sein. Becker nannte Hürden wie Ehegattensplitting und Minijobs, die Gender Pay Gap und den Gender Hours Gaps begünstigen.
Engelmeier stimmte dem zu, warnte vor Minijobs als Armutsfallen und forderte eine Sozialversicherungspflicht ab dem ersten Euro. Wendland betonte, dass sich Normen wandelten und die Politik ihren Beitrag dazu leisten müsse, diese zu aktualisieren – vor allem auch mit Blick auf Herausforderungen wie den Fachkräftemangel, dem nur mit der Arbeitskraft von Frauen beigekommen werden könne. Becker mahnte familienfreundliche Arbeitsbedingungen an, und betonte, dass sich Männer neben der Kinderbetreuung stärker in den Familien engagieren müssten.

Den gesamten Text lesen Sie auf der Seite des deutschen Frauenrats.

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